Besuch von der Bischöfin

In Römhild ganz, im Süden Thüringens, traf Ilse Junkermann Flüchtlinge und deren Unterstützerkreis.

Römhild. Samstag ist Putztag in der GU. Da halten es die Bewohner des ehemaligen Bürogebäudes am Ortsrand von Römhild wie viele Bürger der Landgemeinde im Kirchenkreis Meiningen. Das routinemäßige Reinemachen trifft sich, weil sich an diesem Samstag Besuch angekündigt hat. Aus Magdeburg. Landesbischöfin Ilse Junkermann will sich die GU ansehen, die alle nur GU nennen, weil Gemeinschaftsunterkunft so umständlich viele Silben hat.

Vorerst aber heißt es warten, denn das Navigationssystem schickt den Besuch zunächst einige Orte weiter nach Jüchsen. Es kennt die neuen Postleitzahlen im Grabfeld noch nicht. Als das irregeführte Auto mit dem Kennzeichen MD dann doch vorfährt, lässt sich Ilse Junkermann ihre Verwunderung anmerken. Die GU teilt sich das Gelände mit einem Schrott- und Edelmetallhandel sowie dem örtlichen Bauhof. Aufgereiht und verschlossen stehen die roten Holzbuden für den nächsten Weihnachtsmarkt bereit, dazwischen Zäune und Absperrungen.

Zur Verwunderung kommt in der GU Sprachlosigkeit. Selim fehlt. Der siebenjährige Syrer übersetzt sonst für seine Familie und die knapp sechzig Afghanen, die hier leben. Fünf Sprachen beherrsche Selim, erzählt ein Bewohner beeindruckt. Arabisch, Kurdisch, Persisch, Englisch, Deutsch. Aber er ist bereits in Meiningen, wo er und seine Familie an diesem Wochenende eine eigene Wohnung beziehen.
Weil miteinander reden kaum möglich ist, wird über die Besuchten geredet. In der oberen Etage gebe es gar keine Probleme, berichtet der Hausmeister. Ob es in den anderen mehr gibt, lässt er offen. Das Putzen lasse zu wünschen übrig, trotz bildreicher Erklärungen an den Türen von Küche und Duschraum, die mit Schriftzeichen in Paschto und Dari ergänzt sind, jener beiden Sprachen, die in der GU gesprochen werden.

Einige Zimmer öffnen sich für den Besuch, Tee und Kaffee werden angeboten. Ilse Junkermann begrüßt freundlich, wird aber auch deutlich zu den Mitarbeitern des Landratsamtes, die zur kleinen Delegation gehören:

In der zuvor besuchten GU in Schönbrunn sei es zehnmal schöner.
Vom Bemühen, das Leben in Römhild für die Geflüchteten annehmlicher zu gestalten, erzählt Pfarrer Thomas Perlick. Er zeigt vor dem Haus eine Tischtennisplatte aus Stein, in die die Logos ihrer Geldgeber eingraviert sind – neben einem Unternehmen aus dem Ort auch die Landeskirche. Die massive Ausführung sei eine Vorgabe des Trägers, ebenso wie die Verankerung der neuen Holzbänke.
Bänke, Tischtennisplatte, Deutschunterricht, Spieleabende, Kleiderkammer, Sportkurse – das sind alles Ideen und Initiativen vom Unterstützerkreis WIR.

WIR heißt „Willkommen in Römhild“ und jene, die das sagen, warten schon im Pfarrhaus auf Ilse Junkermann, deren Fahrt diesmal von einem Mai-Umzug durch den Ort gebremst wird. Sie haben ein kleines Büfett vorbereitet, ohne Schweinefleisch und Alkohol, so ist es längst selbstverständlich, wenn ihre muslimischen Gäste dabei sind. Und auch eine Präsentation mit Bildern über ihr Engagement der vergangenen Monate. Fußballspielen im Schnee, Zuckertütenfest, Wandern auf den Großen Gleichberg, Familienpatenschaften, ein Fest kurz vor Weihnachten, für das ein Koch aus dem Ort zwei Hammel zubereitet hat.

Es gibt mehr zu zeigen und zu erzählen, als es die Besuchsstunde an diesem Samstag erlaubt. Vom aromatischen afghanischen Reis, der immer extra aus Erfurt beschafft wird. Von Bürokratie. Von der kleinen Mariam, die im Dezember geboren wurde. Damit nicht zu viel vergessen wird, hat der Unterstützerkreis ein Fotobuch für die Landesbischöfin vorbereitet. „Wir wollten damit danke sagen. Es ist eine Würdigung unserer Arbeit, dass sie uns besucht“, sagt Achmed Berthold, der sich um die Öffentlichkeitsarbeit von WIR kümmert.

Der Kreis, der in der Mehrheit gar nicht aus Gemeindemitgliedern besteht, hat in der evangelischen Kirche vor Ort einen Partner gefunden. Mit Kontakten und Infrastruktur. Im Gemeinderaum kann Deutsch unterrichtet werden, in der Gemeinde finden sich Mitstreiter, die sich etwas einfallen lassen für Integration und Abwechslung im tristen GU-Alltag. „Wir sind auf Hilfe angewiesen und von der Kirche erhalten wir wahnsinnig viel Unterstützung“, erklärt Achmed Berthold.

Beeindruckt sei sie, sagt die Landesbischöfin mit dem großen Geschenk in der Hand. Und sie wirkt gar nicht mehr so sprachlos und verwundert wie am Beginn ihres Besuches in Römhild.

Susann Winkel