Spot an, Erlebnisbericht Thomas Perlick

Spot an!

 

Plötzlich sind sie da. Ein kleiner Bus voller Schicksale. Ankunft Römhild: Zwei Berge, eine kleine Stadt und Menschen, die sich freuen oder fürchten.

Plötzlich sind sie da.

Sie stehen ein bisschen verloren vor dem Haus in der Meininger Straße. Die Wäsche in blauen Säcken, zu dünn für den deutschen Herbst vor dem deutschen Winter.

Eltern, die sich hüten und Kinder, die sich noch nicht trauen. Sie warten auf ein Dach über dem Kopf und wir warten auf unseren Mut. Es sind nur wenige Schritte zu ihnen hin. Wenige Schritte und drei Welten. Sie hoffen. Wir zögern.


Aber plötzlich ist da dieser seltene Moment, in dem die Zeit ihr Geheimnis preisgibt:

Alles wird Gegenwart. Die Welt eine Bühne und der Beleuchter ruft:

Alles Licht nur auf die Eine! Die Scheinwerfer drehen bei und bündeln sich zu einem einzigen Strahl. Nun sehe ich das Mädchen: Schwarzes Haar und Sterntaleraugen. Ich gehe in die Hocke, breite die Arme aus und sie beginnt zu laufen.

Die Wolken haben sich einen Spalt weit geöffnet. Alle Sonnen der letzten Wochen vereinen sich für diesen einen Moment. Die Sonne über dem syrischen Dorf, aus dem die Kleine stammt. Die Sonne über dem Boot, das irgendwann nur noch aus Schlagseiten bestand.

Die Sonne im Gesicht des italienischen Soldaten, der das Mädchen aus dem Wasser zog. Die Sonne über dem ersten Lager, dem langen Weg und über Mühlhausen. Alle Sonnen vermählen sich für diesen einen Zeigefinger aus Licht, in dem die Kleine auf mich zuläuft. Sie ist nicht älter als der Junge am Strand. Der tote Junge, wie schlafend. Der stumme Junge auf einem Foto, das schreit. Sie ist nicht kleiner, nicht größer, nicht kostbarer. Aber sie lebt. Alles Licht auf die eine! Ich hebe sie hoch und sage: „Hallo! Es ist so schön, dass du lebst!“ Sie kennt meine Sprache nicht, aber sie versteht, was ich sage, weil sie es fühlt. Die Sprache des Herzens ist ein Esperanto ohne Grenzen.
Sie hüpft wie ein Wildpferd zu den Anderen zurück. Plötzlich stehen sie alle in der Sonne. Kleine Botschafterin des Lichts in meiner Stadt. Es ist so schön, dass du lebst!  


Und du, wer immer du seist - wo stehst du? Ich weiß nicht, was dir Sorgen macht oder Furcht oder Befremden. Ich weiß nur eines:

Es ist jetzt nicht wichtig, was du denkst. Es zählt nur noch, was du tust. Du brauchst nicht mal dein Geld dazu, um das du viel zu schnell besorgt bist. Du brauchst dein Auto nicht und nicht deine Südseereise. Was du aber brauchst, sind helfende Hände und ein Herz, das sich einfühlen will. Wenn du ihnen begegnest in der Stadt, dann wechsle nicht die Straßenseite! Geh auf sie zu und sag „Hallo!“ Sie verstehen dich, auch ohne Worte. Bevor sie die Sprache lernen, buchstabieren sie „Vertrauen“. Und dabei kannst du ihnen helfen. Also: geh auf sie zu und warte auf das Licht! Ich weiß, dass es kommt. Ich habe es erlebt.  


Ach, und danken wollte ich noch: Dem Land, dem Landkreis, dem Stadtrat Römhild für das, was geleistet wurde in so kurzer Zeit. Es geht schnell unter in einer Außensicht, die zu wenig weiß. Danken wollte ich auch dem Unterstützerkreis, der nicht wusste, wie, aber dass man etwas tun muss. Ihr seid einfach klasse! Dank auch an alle, die erst gefragt und sich dann geregt haben.
Und jetzt: Alles Licht auf die eine, den einen! Wer das ist, das wirst du schon herausfinden. Spot an!        
                                            Thomas Perlick, Römhild